Freitag, 26. Februar 2010

Die Brüllenden 40er

Hallo Zusammen,
In meinem Revierführer für den Südatlantik steht: do you want a new cruising ground.. without hurricanes or typhoons..
Ganz normale Tief- und Hochdruckgebiete können aber auch ausreichend Wind machen.
Am 24.2. beginnt meine Wache um 4 Uhr morgens. Ich kullere fast aus der Koje wegen der Schräglage. Egon, die Windfahnensteuerung bringt es nicht fertig abzufallen. Der Wind bläst mit 50 Knoten aus Süd-Süd-West. Heftige Seen rollen heran, eine Dünung aus West und eine Windsee aus Süd, die sich recht chaotisch brechen.
Unsere Besegelung ist minimal, 2 qm Genua, das Groß ist verpackt.
Nur schlecht gelingt es mir, Egon auf einem Vorm-Wind Kurs zu halten. Deshalb bringe ich mehrere lange Leinen mit vielen Knoten darin aus. Sie sollen das Heck im Wind halten. Als wir alle unter Deck sind, erfaßt uns ein Brecher und legt uns fast vollständig auf die Seite. Der Salontisch bricht ab und legt sich auf die stb.- Bank. Wasser strömt durch den Niedergang. Ein lautes Krachen an Deck verrät, daß das neue Gummiboot auseinander gebrochen ist. Die Sprayhood ist auf der Stb.-Seite eingedrückt. Wir müssen jetzt doch per Hand steuern. Aber auch dann gelingt es nicht immer, die Brecher auszutricksen. Der Wind nimmt weiter zu auf 70 Knoten, in der Spitze zeigt der Windmesser 90 Knoten. Ich bringe den Treibanker an einer langen Leine aus, der verabschiedet sich aber rasch.
Als Rudi steuert, legt wieder ein Brecher das Schiff auf die Backe und er fällt nach Lee. Zum Glück ist er angeleint. Die Weste bläst sich auf wegen dem übergekommenen Wasser. Jetzt steuert Renate und ich kümmere mich um die Bilgepumpe, deren Filter immer wieder verstopft.
Noch während Rudi seine aufgeblasene Weste klariert, erfaßt uns der nächste Brecher. Rudi fliegt auf den Herd und kommt auf Herd und Kühlschrank zu liegen. Er prellt sich den Rücken und ist im folgenden nicht mehr einsatzbereit. Ich sehe, wie der gesamte Inhalt der Bb- Regale über mich ( knieend an der Bilgepumpe) hinweg nach Stb. fliegt und das UKW-Funkgerät zum Zentrum eines Rühreis macht. Weitere Eier finde ich später in der Bibliothek neben dem Kartentisch.
Im Vorschiff macht sich eine 5 l Wasserflasche selbständig und verholt vom Bb Regal ins Stb Regal.
Chaotisch verteilt sind im Schiff Bücher, Lebensmittel, Geschirr, Scherben (eine Schapp - Tür ist aufgegangen)
Ich löse Renate am Steuer ab und sie muß sich nun ums notdürftige Aufräumen kümmern und mich später wieder ablösen.
So kämpfen wir bis zum Abend mit Wind und Wellen, dann läßt der Wind etwas nach und Egon kann wieder arbeiten, so daß ich in der Nacht einige Stunden Schlaf finde.
Vorläufige Verlustbilanz:
Parasailor,
Dingi,
Treibanker,
Pütz ( die ich auch als Bremse ausgebracht hatte)
2 Winschkurbeln,
Einige Teller,
Abgebrochener Stomübernahmestecker,
Einige verbogene Relingsstützen,
Leicht verbogene Sprayhood,
Gerissene Großsegelpersenning,
Rudis Rückenprellung.

Heute ist der Wind noch bei 35 Knoten, das erscheint aber recht angenehm.
Allerdings habe ich das Deck noch nicht aufräumen können.
Wahrscheinlich werden wir das nähere Mar del Plata ansteuern.

Einstweilen viele Grüße, immerhin ist es etwas wärmer..

Euer Jürgen von der Leon de Mar

Samstag, 20. Februar 2010

Port Stanley 2

Hallo Zusammen,
Die Tage vergehen wie im Flug und schon liegt Port Stanley hinter uns. Die Falklandinseln sind very british. In Port Stanley bestehen die Hafenmolen aus Resten von Wracks aus der Segelschiffszeit. Wenn so ein Wrack dann ganz vergammelt, wird nebenan ein neuer Steg gebaut, die alten Trümmer bleiben immer liegen.
Einige Häuser sehen aus wie in England, gelbliche Ziegelbauten mit vielen Schornsteinen, auch hier gilt Verfall als schick. Daneben gibt es feine Neubauten, vor allem Schule, Supermarkt und Regierungsgebäude. Viel Rasen, der englisch getrimmt ist, Golfplatz, ein Museum, wo alles an Erinnerungsstücken, was man sich vorstellen kann, von einer alten Zahnarztpraxis, einer Krämerladeneinrichtung, altem Geschirr, Nippes, einer mechanischen Zither und einem Lochplatten-Musikapparat mit der "Wacht am Rhein" bis zu Waffen, Raketen, argentinischen Piloten-Helmen aus dem Falklandkrieg von 2 alten Damen verwaltet wird.
Im Pub ist es verraucht. 4 Fernseher plärren mit unterschiedlichem Programm, dazu Dart, Billiard und englischen Reklameschilder "Bier helps ugly people have sex since 1862". Und die Leute sehen auch aus wie Engländer und die Frauen haben durchaus britisches Format.

Die meisten Häuser sind aus Holz und Spanplatten gebaut, als Außenhaut Wellblech und die Dächer mit Wellblech in bunten Farben gedeckt, durchaus ansprechend und geschmackvoll. In den Gärten wachsen üppige Blumen, ein Garten beherbergt ca. 1000 Gartenzwerge. Wie in Cornwall wachsen die Fuchsien zu meterhohen Büschen, auch palmenartige Gewächse stehen herum, so daß man vermutet, auch im Winter kann es kaum kälter sein als jetzt.
Nach Schulschluß steht uns das der Schule angegliederte Hallenbad offen, Dusche und 29 Grad Wasser lassen kurz den Südatlantik vergessen.
Wirklich Zeit, das Hinterland zu erkunden ( alles kahlgefressen von Schafen, teils noch vermint aus dem Falklandkrieg, an den Stränden Pinguine), haben wir wieder mal nicht.
Am 18. läuft "Polar Bound" nach seiner Antarktis - Tour ein und David geht neben uns vor Anker. Marie, die mit uns von Puerto Williams gesegelt ist, begrüßt ihren alten Freund mit einem üppigen Fischgericht. Den Fisch haben tags zuvor 2 Schuljungen für sie geangelt. Sie wird mit David weiterfahren.
Abends sitzen dann auch noch Casey und Jamie von der SY Santa Magdalena bei uns und es wird ein lustiger Abend bei argentinischem Rotwein.
Am folgenden Morgen wollen wir los, doch es bläst mal wieder so stark, daß wir kaum dazu kommen, unsere Einkäufe zu erledigen, so bleiben wir bis zum heutigen Morgen. Der Wind ist günstig aus Südwest, soll aber übermorgen recht stark aus Norden blasen, nach der Vorhersage aber nur für 12 Stunden, mal sehen..
Wenn alles glatt läuft, können wir unseren Fahrplan einhalten. Am 2.3. wollen wir Buenos Aires erreichen.

Viele Grüße von

Jürgen, Rudi und Renate aus dem Südatlantik

Montag, 15. Februar 2010

Malvinas

Hallo Zusammen,

Gestern sind wir endlich in Port Stanley angekommen. Erst hat der Wind uns verlassen, so daß wir am 12. 2. mitten im Südatlantik eine Pause eingelegt haben. Fast 24 Stunden haben wir ohne Segel rumgedümpelt, am warmen Ofen gesessen und getan, als ob wir etwas unruhig vor Anker liegen. Doch es war die Ruhe vor dem Sturm. Wie immer haben die Vorhersagen recht gehabt mit der Richtung des Windes, aber letztlich war der Wind wieder doppelt so stark wie "erwartet". In Anführungszeichen, weil ich eigentlich immer mehr erwarte, als angesagt. Erst fing es ganz langsam an, aber dann .. Südwest bis 50 Knoten. Die Genua haben wir nach und nach bis auf Handtuchgröße eingerollt, das Groß war sowieso eingepackt und so hat Egon uns sicher durch die 4 m Wellen gesteuert. Dummerweise waren um die Falklandinseln herum einige Fischer und Kreuzfahrtschiffe unterwegs, so daß der Radarwarner ständig gepiept hat und wir einige Ausweichmanöver fahren mußten, was mich meinen Schlaf gekostet hat. Am nächsten Morgen war dann die Einfahrt nach Port Stanley querab. Nur 8 Meilen bis zum Ankerplatz, aber die haben uns 5 Stunden gekostet. Der Wind hatte auf West gedreht, so daß wir genau gegenan mußten. Da habe ich mir dann eine stärkere Maschine gewünscht, denn unsere 50 PS haben uns teils mit weniger als einem Knoten Fahrt vorangebracht. In der Spitze bis 57 Knoten Wind von vorn machen das Steuern auch zu einem Kunststück. Ständig wird der Bug zu Seite gedrückt und trotz voller Fahrt voraus geht er kaum wieder durch den Wind. Mit Mühe halten wir uns von den Felsen frei. Obwohl wir uns in einem geschützten Fjord befinden, sind die Wellen fast 2 m hoch. Dabei fliegt dem Steuermann die Gischt in die Augen und hin und wieder auch waagerecht fliegender Hagel.
Schließlich fällt der Anker und der Ofen wärmt und Rindergeschnetzteltes mit Nudeln und Salat füllt die hungrigen Mägen zu Bier und Rotwein. Sogar die Veganerin Marie, die eigentlich nie ißt, langt bei Nudeln und Salat kräftig zu.
Das Einklarieren verschieben wir auf morgen oder einen anderen Tag mit weniger Wind und fallen bald in einen tiefen Schlaf.

Viele Grüße von den Falklands / Malvinas von

Jürgen, Renate, Rudi und Marie

Donnerstag, 11. Februar 2010

Südatlantik

Hallo Zusammen,

Am 9. 2. von Ushuaia wegzukommen war gar nicht so einfach. Der Wind war wieder mal eingeschlafen. Gegen Mittag erhob sich dann aber eine leichte Brise aus West und hat uns gemächlich den Beagle-Kanal entlang geschoben. Einige Stunden später passieren wir zum
x-ten Mal Puerto Williams. Und wieder die Quäkstimme der Armada aus dem Funkgerät mit der Frage: Wer, woher, wohin, Rufzeichen, Personenzahl, Flagge. Das fragt jeder Leuchtturmwärter alle paar Kilometer, mal die Chilenen, mal die Argentinier. Sie passen halt auf uns auf und wünschen uns auch immer guten Wind und gute Fahrt.
Abends fällt dann der Anker vor der kleinen Insel Martillo. Am Strand dort herrscht reges Treiben der Herren im schwarzen Frack, die teils im Regen stehen, teils umherwatscheln. Wir sind bei einer Pinguinkolonie von sicher mehreren tausend Vögeln gelandet. Auch im Wasser herrscht munteres Treiben der geschickten Taucher, wenn sie es eilig haben, springen sie wie Delphine aus dem Wasser. Manchmal sieht man sie nur neugierig ihre Köpfe aus dem Wasser recken um aber gleich wegzutauchen, bevor man den Auslöser der Kamera bedienen kann.
Am nächsten Morgen sehen wir, wie Touristen aus Ushuaia mit einer Katamaranfähre anlanden und zwischen den Pinguinen umherlaufen. Wir gehen nicht an Land, da es stürmt und regnet. Es gilt erst mal die 2. Reffleine wieder in den Baum zu fädeln, irgendwie ist der Acht-Knoten aufgegangen und die Leine ausgerauscht. Dann muß das Beiboot an Deck, auch das eine gewisse Aktion bei 30 Knoten Wind und Regen. Schließlich sitzen wir noch bis nachmittags am Ofen und bereiten uns mental auf den Atlantik vor.
Nach dem Segeln praktisch ohne Wellen in den Kanälen begrüßt uns der Übergang vom Pazifik in den Atlantik mit achterlichem Wind von 30 Knoten und Wellen von 4 m. Da vergeht etwas der Appetit und Egon, der Windpilot muß die Arbeit machen. Der Wind nimmt im Lauf der Nacht weiter zu, so daß wir schließlich mit ca. 1/8 der Genua mit 7 Knoten unserem Ziel entgegenrauschen. Die Le Maire-Straße lassen wir aus, wir umfahren die Isla de las Estadas südlich. 1 Knoten Strom schiebt mit, so daß wir bis Port Stanley auf den Falklandinseln nur drei Tage rechnen, statt der eingeplanten 5.

Aus dem Südatlantik grüßen

Jürgen, Rudi Renate und Marie